Vorteile von Velomobilen

Velomobile sind Fahrzeuge, die von Funktion und Aussehen so andersartig sind, daß sie vielerlei Beschreibung und Erklärung bedürfen - ob es sich um Eigenbauten oder Kleinserienfahrzeuge handelt. Im eigentlichen Sinn sind Velomobile voll verkleidete Liegeräder, die für den Alltag konzipiert sind und einen vollständigen Regenschutz bieten.

Die zentrale Frage lautet: “Warum sollte ich ein Velomobil nutzen, und was bringt mir das gegenüber einem Fahrrad einerseits oder gegenüber einem Auto andererseits ?”

Ein augenfälliges Beispiel für den Unterschied zwischen einem Velomobilfahrer und dem Fahrer eines normalen Fahrrades ist, daß Velomobilfahrer Sommers wie Winters in fast gleicher, leichter Kleidung unterwegs sind. Dies ist für viele auch ein Hauptentscheidungsgrund für ein Velomobil: der morgendliche Blick aus dem Fenster entfällt. Kein Poncho bremst die Geschwindigkeit und man kann “nach Knigge gekleidet” unterwegs sein.

Das setzt eine gute Belüftung voraus, ein wichtiges Thema beim Velomobil. Da der direkte Fahrtwind wegfällt, wird “dosiert” belüftet, und zwar durch gezielt angebrachte Lüftungsöffnungen in der Verkleidung. Weil der Luftstrom mäßig, aber nicht so stark wie bei einem offenem Fahrrad ist, teilt man sich die Kraft besser ein. Nach eigenen Erfahrungen schwitzt man in einem Velomobil mit guter Belüftung auch im Sommer weniger als auf einem herkömmlichem Rad. Auf diesem nämlich wird man bei warmem Wetter durch den Fahrtwind “trockengeblasen”; der Schweiß bricht nach der Ankunft erst richtig aus. Dies ist sehr unangenehm, wenn man regelmäßig mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren muß. Eine Verkleidungsöffnung an einem Staupunkt kann sehr effizient sein.

Am Berg kommt jedoch jede passive Lüftung an Grenzen, auch die des Velomobils. Die Fahrgeschwindigkeit ist in diesem Fall zu gering, um einen ausreichenden (Wind-) Druck zu erzeugen.

Apropos Berg: “kann man denn mit einem Velomobil überhaupt steile Berge erklimmen?” ist eine oft gestellte Frage. Velomobile wiegen mit Fahrer (auch dieser muß den Berg hoch!) rund 15% mehr als ein Normalradfahrer. Die Geschwindigkeitseinbuße wird also nicht größer sein als diese rund 15%. Bei geringen oder mäßigen Steigungen kommt der geringere Luftwiderstand des Velomobils selbst bergauf noch zum Tragen.

Velomobile weisen in der Regel eine viel kleinere effektive Frontfläche (ein Maß für den Luftwiderstand) auf, der Grund für die hohen Fahrgeschwindigkeiten, die mit einigen Velomobilen erzielt werden können. Diese höheren Geschwindigkeiten erschließen sich vor allem den bewegungsfreudigen Fahrern, die Spaß an der Fortbewegung aus eigener Kraft empfinden. Wer mit einem konventionellen Fahrrad 10 oder 15 km/h fährt, wird mit einem Velomobil auch nicht viel schneller fahren. Mit entsprechend höherem Krafteinsatz ist es für untrainierte Fahrer eine angenehme Erfahrung, wenn sie 50 km/h eine Weile lang fahren können, was mit “sportlichen” Velomobilen durchaus möglich ist.

Hieraus ergibt sich schon, daß es verschiedene Bauformen von Velomobilen gibt.

Die meisten Velomobile sind Dreiräder. Sie sind standfest, von jedermann sofort problemlos zu fahren und haben eine gute Transportkapazität. Zweiräder könnten vor allem bei sportlichen Fahrern Freunde finden, weil sie oft schneller sind und sich so schön in die Kurve legen lassen. Beispiele für Velomobil-Zweiräder als Prototypen sind Aeolos und Desira .

Im Alltag ist gerade die tägliche Handhabung von Bedeutung. Der Ein- und Ausstieg sollte durch die Verkleidung nicht wesentlich behindert werden. Nur dann wird das Velomobil ein Fahrrad ersetzen können, denn auch kurze Strecken (“Brötchen holen”) sollten mit Velomobilen möglich sein. Ein Velomobil, das nur für Fahrten bei Regen taugt, wird sich kaum durchsetzen können, da der zusätzliche Stellplatz bei den wenigsten vorhanden sein wird.

Wie beim Fahrrad kann man Abkürzungen verwenden, die den Autos vorenthalten bleiben. Auf Feld- und Waldwegen kann man oft verkehrsreiche Straßen mit Ampeln umgehen, besonders in Ballungszentren.

Zudem rechnet sich ein Velomobil auch von den Anschaffungskosten vor allem dann, wenn es zumindest in den meisten Situationen im Alltag eingesetzt werden kann. Kompaktere Velomobile kann man auch im Zug mitnehmen. Manche Konstruktionen lassen sich hierzu zerlegen, um die in die Breite gehenden Teile (v.a. bei Dreirädern) zu entfernen.

Wer öfter mit nicht velomobilen Mitfahrern unterwegs ist, sollte darauf achten, daß man sich mit dem Mitfahrer auch während der Fahrt unterhalten kann. Dies kommt auch der sonstigen Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern im Straßenverkehr zugute.

Zudem ist es hilfreich, das Velomobil schieben zu können. In Einkaufszonen kann man alles im Velomobil mitführen und vermeidet, die Taschen tragen zu müssen.

Viele denken bei einem Velomobil sicherlich als erstes an den Schutz vor Regen. Es gibt zwar “Strategen”, die ausgerechnet haben, das es nur einen kleinen Prozentsatz der Zeit regnet, doch wer einmal so richtig naß geworden ist, scheut das Rad beim nächsten Mal. Die Velomobile sind jedoch mit den Ziel angetreten, ein Fahrzeugkonzept für jede Alltagssituation zu bieten.

Neben dem Schutz vor Regen ist aber der Windschutz in der kalten Jahreszeit mindestens genau so wichtig. Im Winter ist bei Temperaturen unter 5°C auf einem unverkleideten Rad die Kleidung oft ein Vabanquespiel zwischen warmer Kleidung, in der man schwitzt und dünnerer Kleidung, in der man während der Fahrt friert - und dies bei oftmals wechselnden Wetterlagen. Hier spielen Velomobile ihren Vorteil aus, weil man mit der Lüftung reguliert und nicht mit der Kleidung, die man trägt.

Zwar ist das Velomobil in der Anschaffung sehr teuer, wer aber sein Velomobil im Alltag täglich benutzt, kann damit über viele Jahre hinweg kostengünstig fahren.

Und was empfindet man beim ersten Einsteigen in ein Velomobil? Zunächst geht es in einem Velomobil eng zu. Das kann auch gar nicht anders sein, denn sie sollen leicht und kompakt gebaut sein und wenig Stellfläche verbrauchen. Jeder beurteilt das Gefühl, in einem Velomobil zu sitzen, anders. Gerade ältere Leute fühlen sich beengt in der Verkleidung, auch wenn sie von innen nicht gegen die Verkleidung stoßen. Anderen vermittelt eine Verkleidung ein Sicherheitsgefühl; weil man noch eine schützende Verkleidung um sich herum hat.

Das (Wohl-) Befinden wird noch durch andere Faktoren beeinflußt, z.B. darf die Sicht durch die Scheibe nicht durch Reflexe behindert werden. Nicht zuletzt sollte ein Velomobil so leise sein, daß der Geräuschpegel zumindest nicht wesentlich erhöht ist. Dies alles macht ein “Fahrgefühl” aus, daß über das sonst fahrradspezifische hinausgeht. Man gewöhnt sich aber in der Regel recht bald an die “neue Umgebung” und die meisten Interessenten haben schon während einer Probefahrt gar keine Probleme, sich darauf einzustellen.

Die Stärke des “idealen” Velomobils ist, daß der Fahrzeugtyp für alle in Frage kommenden Alltagssituationen geeignet ist. So haben teilverkleidete Liegeräder mit freiliegendem Kopf den Nachteil, daß der Kopf unverhältnismäßig viel Fahrtwind abbekommt. Dennoch haben solche Fahrzeuge viele Liebhaber gefunden, z.B. das Alleweder. Ein teilverkleidetes Liegerad in Zusammenhang mit einem passenden Poncho ist im Alltag bereits erheblich vorteilhafter als das entsprechend unverkleidete Rad. Möchte man jedoch den Regenschutz gleich montiert dabei haben, vom kalten Fahrtwind verschont bleiben und noch in den Genuß einer verbesserten Aerodynamik kommen, ist das Velomobil gefragt.

 Auch wenn Velomobile im Vergleich zum Auto noch einen Nischenmarkt darstellen - die Kosten von z. T. über 5000 € sind sicherlich für viele eine große Hürde - haben sie eine Daseinsberechtigung und eine Zukunft. Ein Fahrzeug, das von Auto und Fahrrad die jeweiligen Vorteile mitbringt, wird sicherlich noch einen höheren Stellenwert bekommen.

Somit bleibt der Anreiz an ein interessantes, attraktives Fahrzeugkonzept: ein Dornröschen zum Aufwecken.

Joachim Fuchs